Wer Hans-Ulrich Rhein erreichen will, versucht es vielleicht besser auf dem Handy. Denn die Chancen stehen nicht schlecht, dass der Nordwalder nicht zu Hause ans Festnetz gehen kann, weil er unterwegs ist. Sei es irgendwo in Deutschland, vielleicht an seinem Zweitwohnsitz Hooksiel, oder doch in Schweden, wo er mit seinem Wohnmobil besonders gerne hinfährt. Dabei sagt Rhein selbst: Er sei eigentlich gar nicht so der „Reisefreak“.
Deshalb ist es fast schon ein bisschen kurios, dass der heute 77-Jährige ausgerechnet bei einer Reise seinen Weg zu den Sozialdemokraten fand. Überspitzt formuliert könnte man sagen: Rhein ist als politisch interessierter Mensch in den Urlaub nach Spanien gefahren – und als SPD-Politiker zurückgekehrt. Er selbst beginnt die Erzählung so: „Ich bin durch den Umweg über meine Kinder zur SPD gekommen.“ Dabei hatten die beiden das damals wahrscheinlich gar nicht im Sinn, sie wollten einfach wie ihre Freunde zum Campen nach Spanien. Doch wie der Zufall es so wollte, waren die Väter der anderen Kinder bei den Nordwalder Sozialdemokraten aktiv.
Die Familien saßen abends zusammen bei einem Glas Wein und haben über Politik diskutiert. Rhein, der zuvor bereits fand, dass der frühere SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt „ein ganz toller Politiker war“, entschloss sich nach dem Urlaub, sich den Sozialdemokraten anzuschließen. „Dann wollte ich auch richtig mitmachen.“ Wie lange das her ist? So 37, 38 Jahre, schätzt Rhein.
Er hat danach im Partnerschaftsbeirat mitgearbeitet, ließ sich bei Kommunalwahlen aufstellen. 1989 war er zunächst als sachkundiger Bürger aktiv. Vor 31 Jahren ist Rhein dann erstmals für die SPD in den Gemeinderat eingezogen – und gehörte diesem bis Ende Oktober durchgängig an. Seit 2004 hatte er noch weiteres Amt inne: Rhein war mehr als 20 Jahre lang Vorsitzender der SPD-Fraktion.
Wer die Mehrheitsverhältnisse der letzten Jahrzehnte in Nordwalde kennt, weiß, was das bedeutet: Rhein gehörte der „Opposition“ an. Er benutzt das Wort nicht gerne, aber alle wissen, was damit gemeint ist. Rhein bringt es noch mal anders auf den Punkt: „Wir haben als SPD nicht so viel zu entscheiden im Ort.“ In einer Legislaturperiode, damals unter Bürgermeister Dietmar Brockmeyer, sei das etwas anders gewesen. Zuletzt aber hing der Grad der Einflussnahme für die Sozialdemokraten von der CDU ab.
Rhein kategorisiert verschiedene Arten von Entscheidungen während seiner Ratszeit: „Ganz viele Dinge sind ja sowieso einstimmig. Dafür gibt es sachliche Argumente und dann ist es gut“, sagt Rhein. „Bei vielen Dingen geht es aber auch nach Meinung.“ Er wählt als Beispiel die Umgestaltung des Bürgerzentrum-Vorplatzes: Soll alles so geplant werden, dass die Kirmes weiter dort ihren Platz hat, oder sollen Bäume und weitere Pflanzen fest verankert werden, sodass ein Karussell vom angestammten Ort weichen müsste? „Und dann gibt es Themen, da ist die Mehrheitsfraktion fest betoniert, vermutlich weil es um wichtige Gruppen oder Leute geht“, sagt Rhein.
Er beklagt mitunter auch eine Scheinheiligkeit: „Was ich ganz fürchterlich finde: Dass die Leute häufig mit ihren Argumenten nicht ehrlich sind.“ Rhein fällt da die Erwiderung mit der Müllabfuhr ein. Diese fiel, als er nach dem Bau der Umgehungsstraße andeutete, wie wichtig es sei, den Schwerverkehr aus dem Ortskern auszuschließen. „Das geht nicht, da muss doch die Müllabfuhr durch“, bekam Rhein zu hören.
Wo man zuletzt „mit Argumenten weiterkommen“ konnte, waren die interfraktionellen Runden, sagt Rhein. „Das hat ganz gute und förderliche Gespräche gegeben“, zumindest wenn die Mehrheitsfraktion und die Bürgermeisterin nicht zuvor schon fest entschieden gewesen seien. Eine dieser Runden war auch zu einem Projekt einberufen worden, das den Rat in den vergangenen Jahren intensiv beschäftigt hat: das Bürgerzentrum.
Nach dem Beschluss der Vergabekammer beratschlagten die Fraktionen mit der Verwaltungsspitze, wie sie weiter vorgehen wollen. Über den „ersten Versuch“ sagt Rhein: „Der war ja eigentlich ganz gut.“ Was er bis heute nicht versteht, ist der Beschluss der Vergabekammer: „Das kann ich im Nachhinein nicht nachvollziehen.“ Die Begründung hält Rhein nicht für stichhaltig.
Beim zweiten Verfahren, dem Bürgerzentrum wie es heute steht, hält der SPD-Politiker die eine Million für die Unterkellerung „nach wie vor für total überflüssig“. Zwar habe bei den Gesamtkosten für das Gebäude auch Pech eine Rolle gespielt, dass Bauen so teuer und Handwerker knapp waren, dafür konnte die Gemeinde nichts. Aber es hätte auch häufiger der Rotstift angesetzt werden können, ist Rhein überzeugt.
An Diskussionen über Projekte und Kosten wird Rhein künftig nicht mehr beteiligt sein, höchstens noch als Berater im Hintergrund oder Zuschauer. Die Politik will er weiter verfolgen, auch wenn er sich aus der aktiven Rolle verabschiedet hat. Der pensionierte Lehrer für Mathe, Physik und Informatik hat zuletzt festgestellt, dass ihm die Aufgabe schwerer gefallen ist. Früher ist er aus der Schule gekommen und abends zur Sitzung gegangen, das war kein Problem.
Rhein kann seine Arbeit aber auch ruhigen Gewissens in andere Hände legen, denn er ist überzeugt, dass sie kompetente Nachfolger haben: „Ich finde das gut, dass wir jetzt so einen deutlichen Generationenwechsel haben. Denn das ist ja ihre Zukunft, die sie beschließen, nicht mehr meine.“
Rhein kann sich damit mehr seinen anderen Hobbys widmen: Er hat Astronomie studiert und verfolgt weiter, „was man im Weltall findet“. Quantencomputer interessieren ihn. Rhein korrigiert aber auch Arbeiten von Schülern bei der Mathematik-Olympiade im Kreis Steinfurt und ist als Juror im Roboterwettbewerb im Einsatz. Und wenn er all das nicht macht, lenkt Rhein vielleicht gerade sein Wohnmobil über die deutschen Straßen oder durch Schweden.
aus den „Westfälischen Nachrichten“ vom 14. 11. 2025





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